Was ist MBSR?

MBSR steht für Minfulness Based Stress Reduction – Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion.

Das MBSR-Programm wurde wurde in den 1970er Jahren vom Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn in den USA entwickelt und ist wahrscheinlich das am besten durch wissenschaftliche Forschung untermauerte therapeutische Angebot.

Und – wie der Name sagt – geht es bei MBSR darum, eine achtsame Haltung zu Kultivieren, die es uns ermöglicht, spürbar besser mit Stress umzugehen.

Um zu verstehen, was das konkret bedeutet, werfen wir einen kurzen Blick auf die beiden entscheidenden Begriffe:

Stress

Stress ist zunächst eine neurophysiologische Reaktion auf Situationen, die unsere Wahrnehmung als bedrohlich einstuft. Automatisch fähr unser Körper Funktionen hoch, die bei akuter Gefahr unsere Chancen zu Überleben erhöhen sollen. Die Herzfreqzenz wird gesteigert, „Stresshormone“ wie Adrenalin wird ausgeschüttet, die Wahrnehmung schärft sich, Arme und Beine werden besser durchblutet, der Muskeltonus erhöht. Gleichzeitig werden Funktionen, die wir nicht akut für Flucht oder Kampf brauchen, zurückgefahren: Verdauung und Libido werden eingestellt, die Spiegel der „Entspannungshormone“ wie Serotonin oder Oxytocin sinken, die für Analyse und Reflexion zuständigen Bereiche des Gehirns werden inaktiv.

Kurz gesagt: wir werden stark – und dumm.

Das kann eine sehr praktische Sache sein, wenn man gerade Mammuts jagt oder von Säbelzahntigern verfolgt wird. Wir können besser kämpfen – oder eben ziemlich schnell verduften. Und durch diese sehr körperbetonten Betätigungen regulieren sich dann auch die physiologischen Zustände automatisch wieder in den Normalbereich. Wir sind dann erschöpft aber glücklich, haben überlebt oder ordentlich was zu essen –  oder beides.

Diese Use-Cases sind jedoch heute eher selten. Warum sind wir dann trotzdem so häufig gestresst?

Die Antwort ist einfach: Wir übertragen die Stressreaktion von unserem „physischen Ich“ auf unser „soziales Ich“. Bedrohungen für das soziale Ich sind zum Beispiel fehlende Anerkennung, Ablehnung oder gar Ausschluss aus der Gemeinschaft. Wir finden also im Berufs- oder Privatleben reichlich Gelegenheit, uns bedroht zu fühlen.

Das Problem ist nun: Wir reagieren automatisch wie bei akuter Gefahr für Leib und Leben, jedoch ohne dass die Situation unmittelbar in Kampf oder Flucht mündet. Also bauen wir die Stressreaktion nicht wieder ab, der Stress bleibt im Körper bestehen, wie werden dauergestresst.

Und Dauerstress macht bekanntlich krank: Gereiztheit, Unruhe, Schlafstörungen, Bluthochdruck, Burn-Out, Herzinfarkt sind nur einige der möglichen Folgen von anhaltendem Stress.

Achtsamkeit

Was ist Achtsamkeit? Ein sperriges Wort – und ein Buzzword. Und in einer unentspannten Assoziationswolke „Achtung!“, „Gib acht!“ usw.

Treffender wäre vielleicht „Geistesgegenwärtigkeit“ – aber das ist ein schwer verdauliches Wortmonster. Das englische „mindfulness“ trifft schon besser: „mind“ lässt sich übersetzen mit „Geist“, „Verstand“, „Denkweise“, bedeutet aber auch „Sinn“, „Seele“ und „Gemüt“. Und das Suffix „-ful“ steht für „voll davon“ oder „chrakterisiert durch“.

Damit klingt schon die tiefe Bedeutung des Begriffes an: Mit wachem Geist im aktuellen Moment sein, und alle Sinneseindrücke, Gedanken und Gefühle darin wahrnehmen, ohne sie zu bewerten.

Achtsamkeit ist also Haltung und Fähigkeit zugleich. Aber was bringt uns die Übung der Fähigkeit zu dieser Haltung?

Ein kleines Beispiel: Du geshst spazieren und siehst eine Wiese, und Du denkst vielleicht „Jo, eine Wiese, grüner Teppich aus Gras.“ und gehst weiter. Oder Du beschließt, Dir die Sache mal genauer anzusehen. Du bleibst stehen und betrachtest neugierig die Wiese. Und plötzlich siehst Du einzelne Halme, dazwischen ganz andere Pflanzen, die gar kein Gras sind. Du siehst die Erde zwischen den Stängeln, und siehst, dass auch die nicht homogen ist: verschiedenste Klümpchen, Steine, abgestorbene Pflanzen. Dazwischen siehst eine Vielfzahl von Insekten ihre Insektensachen machen. Du siehst den Wind die Halme bewegen, spürst ihn auf Deiner Haut. Spürst vielleicht auch die Sonne, siehst das Spiel von Licht und Schatten auf den Blättern, riechst den Duft der Erde, der Gräser, der Blüten.

Und wo eben noch „Wiese“ war, ist jetzt ein ganzes Meer an neuen Eindrücken und Informationen.

Genau dieses wache, unvoreingenommene Interesse, das ist Achtsamkeit. Wenn wir uns mit dieser Haltung unseren (Sinnes-) Erfahrungen zuwenden, können wir dabei viel Neues entdecken. Es entsteht mit ein wenig Übung eine Art von Bewusstheit, die sich von unserem Alltagsbewusstsein unterscheidet. Und mit der wir nicht nur unsere Sinneseindrücke, sondern auch die Gesamtheit unserer inneren Regungen wie „von außen“ betrachten und untersuchen können.

Und plötzlich erfahren wir nicht nur lauter neue Facetten an dem, was uns umgibt – wir können auch unsere eigenen, inneren Strukturen besser erkennen. Wir können klarer sehen, wie unsere Wahrnehmung automatisch Eindrücke filtert und kategorisiert. Wir können besser verstehen, wie unser Geist die Dinge verarbeitet, wo und wie er automatisch reagiert, welche Muster unser Wahrnehmen und Handeln bestimmen.

Durch dieses Hinsehen ensteht Erkennen, duch das Erkennen entsteht eine kleine Lücke zwischen Reiz und Reaktion. Diese Lücke ist ein neuer Raum der Bewusstheit, der uns befähigt, kompetenter mit dem umzugehen, worunter wir leiden, was uns stresst, und wie wir darauf reagieren. Denn jedesmal, wenn wir eines unserer Muster erkennen, sind wir ganz unmittelbar weniger darin gefangen. Und das macht freier, zufriedener – und glücklicher.

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Jon Kabat-Zinn definiert Achtsamkeit so:

Achtsamkeit ist eine Fähigkeit, die wie jede andere durch Übung entwickelt werden kann. Wir können sie uns auch als einen Muskel denken. Der Achtsamkeitsmuskel wird durch Gebrauch sowohl kräftiger als auch geschmeidiger und beweglicher…

Für unsere praktischen Belange definiere ich Achtsamkeit … als die Bewusstheit, die sich durch gerichtete, nicht wertende Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Moment einstellt.

[Jon Kabat-Zinn: „Gesund durch Meditation“, Knaur 2013, S. 22]

Jack Kornfield sagt:

Achtsamkeit ist nichts anderes als Aufmerksamkeit. Eine Haltung des Gewahrseins voller Respekt und frei von Wertungen. Unglücklicherweise leben wir meist nicht so. Stattdessen reagieren wir und bewerten sofort, ob wir etwas mögen oder nicht mögen beziehungsweise ob wir es uns leisten können, es zu ignorieren. Wir schätzen uns selbst und andere ständig ein und überziehen unser Dasein mit einem Wust von Erwartungen, Kommentaren und Kritik…
Doch wir können ‚die Waffen des Wertens‘ beiseitelegen. Wir können stattdessen achtsam werden. Wenn wir achtsam sind, können wir unsere Erfahrung annehmen, ohne sie einzuschätzen oder zu bewerten. ‚Achtsamkeit‘, meinte der Buddha, ‚ist in jeder Hinsicht eine zuverlässige Hilfe.‘
[Jack Kornfield: Das weise Herz, Goldmann 2008, S. 141]

Und der Dalai Lama:

Wenn wir selbst die Abläufe in unserem Inneren beobachten und untersuchen wollen, dann ist das Instrument, das wir dazu brauchen, der eigene Geist: Wir untersuchen den Geist mit dem Geist. Und hier kommt nun die Achtsamkeit ins Spiel. Der Geist verhält sich gewöhnlich wie ein Blatt im Wind. Die Achtsamkeit hat die Aufgabe, den Geist zu beobachten. Wenn zum Beispiel heftige Wut aufkommt, dann können wir im Geist differenzieren: Ein Teil des Geistes wird zwar von der Wut beherrscht, aber durch beharrliche Übung können wir erreichen, dass der andere Teil des Geistes davon unberührt bleibt.

[S.H. Der Dalai Lama: „Achtsam sein heißt, den Geist bewusst zu gebrauchen“, in: M. Zimmermann et al: Achtsamkeit, Huber 2012, S. 211]

https://www.google.com/search?q=achtsamkeit+definition

Bspw. Ist die Wirksamkeit bei der Depressionsprophylaxe genau so hoch wie der Einsatz von Antidepressiva!

Weitere Infos hier https://de.wikipedia.org/wiki/Achtsamkeitsbasierte_Stressreduktion